Anna Karenina, eine Frau aus den besten gesellschaftlichen Kreisen St. Petersburgs, reist allein zu ihrem Bruder Stiwa nach Moskau. Bei ihrer Ankunft begegnet sie dem Offizier Wronskij, beide verlieben sich auf den ersten Blick. Anna Karenina begeht Ehebruch, ihr Mann Karenin bestraft sie mit dem Entzug des gemeinsamen Kindes. Bis zu ihrem Selbstmord auf den Zuggleisen durchläuft Anna verschiedene Stationen ihres Kampfes zwischen Leidenschaft und Schuldgefühl. Die obsessive Liebe zwischen ihr und Wronskij hat das Leben der drei Menschen radikal verändert - ein Zurück gibt es nicht mehr. Neben der Dreiecksgeschichte verfolgt Leo Tolstoi in seinem Roman zwei andere Modelle der Liebes- und Ehebeziehung: die kinderreiche Verbindung von Annas leichtlebigem Bruder mit Dolly und die zunächst unerfüllte und doch in eine Heirat mündende Liebe von Stiwas Freund Lewin zu Dollys Schwester Kitty.
Diese drei Stränge, in denen es um die verschiedenen Entwürfe von Liebesbeziehungen und Familie geht, haben die Dramaturgin Anne-Sylvie König und die Regisseurin Amina Gusner in ihrer Dramatisierung des weltberühmten Romans der russischen Belle Epoque herausextrahiert: Das Zentrum der Fassung bildet die Dreiecksgeschichte zwischen der charismatischen Anna, ihrem karrierehungrigen, emotional verkümmerten Ehemannes Karenin und dem unbeschwerten Liebhaber Wronskij. Aber auch der Lebensentwurf von Annas Bruder Stiwa, der die emotionale Sicherheit seiner Familie mit seinem Freiheitsdrang zu vereinbaren versucht und daran wiederholt scheitert, und der des Autors Lewin und seiner beruflich emanzipierten Frau Kitty umrahmen und durchkreuzen den Weg Anna Kareninas. Drei moderne Paare im Ringen um Liebe und Nähe bei gleichzeitiger individueller Selbsterfüllung - ein Thema zeitloser Relevanz.