Romane auf der Bühne: Premierenwochenende in Frankfurt, Zürich und Stuttgart
Die Tendenz geht weiter in Richtung Romanbearbeitungen auf deutschsprachigen Bühnen - so sehr, dass mancherorten schon von "Bearbeiteritis" die Rede war. Gleich drei Adaptionen aus dem Programm des Drei Masken Verlags waren am letzten Oktoberwochenende erstmals zu sehen: DIE GEIER-WALLY nach Wilhelmine von Hillern (Städtische Bühnen Frankfurt), DAS HÜNDISCHE HERZ von Michail Bulgakow in der Neuübersetzung von Alexander Nitzberg (Theater am Neumarkt, Zürich) und DIE REISE nach der Romanvorlage von Bernward Vesper (Württembergisches Staatstheater Stuttgart).
Wilhelmine von Hillerns Roman aus dem Jahr 1875 über die furchtlose und scheinbar unbezwingbare Frau aus den Bergen, die Adlerjungen aus dem Nest stiehlt, um das Vieh ihrer Eltern zu schützen, beruht lose auf der Geschichte der Bauerntochter Anna Knittel. Die Dramaturgin Rebecca Lang und die Regisseurin Johanna Wehner, die auch selbst inszenierte, brachten das Stück am 22.10. in der Box des Schauspiels Frankfurt zur Premiere.
Ebenso fulminant wie seine Übersetzung von MEISTER UND MARGARITA (für Bearbeitungen verfügbar), die im Juni mit dem renommierten Scatcherd-Preis ausgezeichnet wurde, ist Alexander Nitzbergs zweite Bulgakow-Übersetzung, DAS HÜNDISCHE HERZ, die am 24.10.2013 unter dem Titel HUNDEHERZ am Theater Neumarkt in Zürich Premiere feierte. Regie führte Pedro Martins Beja, der Bulgakows frankensteinesk-satirischen Stoff auch für die Bühne bearbeitete.
Bernward Vesper - Sohn des nationalsozialistischen Dichters Will Vesper und langjähriger Partner Gudrun Ensslins - thematisiert in seinem Fragment gebliebenen Roman-Essay DIE REISE seine eigene Kindheit. Der Regisseur Martin Laberenz brachte zusammen mit der Dramaturgin Katrin Spira Vespers irrwitziges Mammutwerk, das gleichzeitig einzigartiges Dokument bundesrepublikanischer Zeitgeschichte ist, als fast vierstündige Tour de Force auf die Bühne der Spielstätte Nord des Staatstheaters Stuttgart. Premiere war am 25.10.
Zur Uraufführung von DIE GEIER-WALLY, Schauspiel Frankfurt, 22.10.2013:
„Wehner und ihre Dramaturgin […], die den Stoff für die Bühne eingerichtet haben, nehmen ihn […] nun wieder ernst, ernster
als die Verfasserin selbst, die der Geierwally und ihrem Bärenjoseph
nach Hass und Verachtung, Demütigung und Eifersucht ein glückliches Ende gönnt […] In der ‚Box’ kriegen sie sich nicht“. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.10.2013)
„Die Textvorlage haben Wehner und Lang in zeitgenössisch tönende Brocken zerlegt, in wiederkehrende Motive, die wie Loops
aneinandergereiht und neu gemixt werden […]. Eine solche Einverleibung, ein solches Wiederkäuen, musikalisch, kurzweilig und präzise, ist natürlich auch diese Inszenierung.“ (nachtkritik.de, 22.10.2013)
„Das Kolorit des Heimatromans haben die Regisseurin und die Dramaturgin Rebecca Land dem Stoff […] ebenso ausgetrieben wie alle Züge romantischer Kolportage. Da ist nichts mehr, wovon man sich mit Ironie distanzieren müsste. Was bleibt, lässt sich ernst nehmen. […]“, Der
„abgegriffene Roman [wird] als schlanke Theatererzählung wieder griffig
und dabei auf unaufdringliche Weise gegenwärtig.“ (Echo Zeitung,
30.10.2013)