Auf der Straße lernt eine Frau einen jungen Mann kennen. Dieser junge Mann scheint ihr fremd – in jeglicher Hinsicht: Er gibt sich als Opfer, das gern einmal Täter wäre. Die Frau hält den Mann für einen Idioten. Doch irgendetwas an ihm fasziniert sie. Weshalb sie ihn mitnimmt. In ihrer Hotel-Suite lernt die Frau den geschundenen jungen Mann, der sich ihr als Gärtner-Azubi vorstellt, näher kennen. Als sie in ihm den Erlöser der Welt, den Salvator Mundi, zu erkennen vermeint, reift in ihr ein perfider Plan. Carsten Brandau verwebt Dostojewskijs „Der Idiot“ mit den Geschehnissen um den sogenannten Siegerländer Bauhofprozess, bei dem es um die langjährige Misshandlung eines Auszubildenden durch seine Kollegen ging, sowie mit dem Motiv des Salvator Mundi. Er erzählt von Menschen, deren Leben sich zwischen Demut und Demütigung, zwischen passiver und aktiver Verletzung abspielt. „Es geht um Macht, ihren Missbrauch und die daraus resultierende Ohnmacht; und es geht um all die kleinen Momente, in denen die Macht ihre Macht verliert, in denen Macht selbst ohnmächtig wird. Um all die kleinen Erlösungen geht es also – und um die eine große, die allumfassende, die immer wieder ausbleibt.“ (Carsten Brandau)
In Moskau taucht ein vermeintlicher Professor der schwarzen Magie auf: Woland und bringt gemeinsam mit seinem »Gefolge«, dem unter anderem der sprechende Riesenkater Behemoth angehört, ordentlich Aufregung in die Stadt. Köpfe rollen und Menschen werden verrückt. In der Psychiatrie treffen zwei Dichter aufeinander, von denen einer sich nur »Meister« nennt und von seiner verlorenen Liebe, Margarita, erzählt. Margarita selbst wird von Woland zur Ballkönigin ernannt und erlebt Überirdisches. Am Ende sind die Liebenden wieder vereint – aber wird ihre Liebe alle Ereignisse überdauert haben? Sabeth Braun und Armin Petras haben Bulgakows magisch verrückten Großstadtroman für die Bühne bearbeitet und sich dabei auf Alexander Nitzberg großartige Übersetzung gestützt.
Mit Begeisterung liest Don Alonso Quesada Ritterromane. Als Don Quichote macht er sich auf den Weg, es seinen Helden gleichzutun. Doch Phantasie und Realität geraten ihm arg durcheinander, und während er in Windmühlenflügeln einen vielarmigen, bösen Riesen sieht, den es zu bekämpfen gilt, träumt sein Knecht Sancho Pansa von einem saftigen Braten und einem Schläfchen im Schatten. In Don Quichotes' kreativem Irrwitz und Sancho Pansas sinnfrohem Realismus treffen gegensätzliche Sichtweise auf die Welt berührend und urkomisch aufeinander.
„Otto, was haben wir uns nur dabei gedacht?!“ Frau Anna ist nicht recht zufrieden mit ihrer Situation. Sie muss als Vermieterin ihren Hausbewohnern ständig hinterherräumen. Gratsche, Ewgenij, Matuschka und Paul wissen in zeitlosen Nächten nicht viel mehr zu tun, als zu warten und auszuhalten, dass nichts passiert. Vielleicht könnte Herr Otto –Frau Annas Mann– helfen, aber der schläft die ganze Zeit. Dann hilft nur, sich zu betäuben, nach Worten zu suchen, nach Nähe und nach einem Ausweg. „So viel Mühe. So viel Arbeit.“ Ach ja: Und Herr Otto ist Gott. 2012 ist Clemens Mädge für GERONNENE INTERESSENSLAGE mit dem Hans-Gratzer-Stipendium am Schauspielhaus Wien ausgezeichnet worden. In der Tradition Becketts und Satres stellt er die Frage nach einem sinnerfüllten Dasein und Zusammenleben.
Titularrat Jakow Petrowitsch Goljadkin will nie etwas falsch machen – trotzdem (oder gerade deshalb?) kommt er beruflich nicht voran. Auch bei Frauen hat er keinen Erfolg – seine Liebe zu Klara Olsufjewna, bleibt ohne Erwiderung und spielt sich hauptsächlich in seiner Fantasie ab. Sein Leben ändert sich abrupt, als er während eines nächtlichen Spaziergangs auf seinen Doppelgänger trifft. Wer ist diese Person, die Goljadkin äußerlich aufs Haar gleicht und plötzlich auch in seiner Wohnung auf ihn wartet? Goljadkins anfängliche Versuche, sich mit dem Mann zu verbrüdern, bleiben erfolglos. Der Doppelgänger drängt sich gar als eine bessere Version seiner selbst in sein Leben: An Goljadkins Arbeitsplatz erweist er sich als selbstbewusster und erfolgreicher und heimst das Lob des Vorgesetzten ein. Es beginnt ein grotesker Konkurrenzkampf. Die Urfassung von Dostojewskis Werk DER DOPPELGÄNGER ist von Alexander Nitzberg aus dem Russischen übersetzt worden. Autor Clemens Mädge hat daraus eine moderne und intelligente Bearbeitung für drei Spieler erstellt und stellt darin das "ungenügende" Individuum und den gekränkten Narzissmus des Einzelnen ins Zentrum.
Ein genialer Chirurg nimmt einen Straßenköter bei sich zu Hause auf und schafft aus ihm den »neuen Menschen« – er pflanzt ihm Hirnanhangsdrüse und Hoden eines schmierigen Kleinkriminellen ein. Der zum kommunistischen Genossen mutierte Tiermensch erweist sich aber bald nicht nur als echter Widerling: gewissen- und verantwortungslos wie er ist, wird er zur Gefahr für alle. Er bleibt Tier, freilich in Menschengestalt, und erst die gewaltsame Rückoperation kann die Gesellschaft retten. Ein Text, böse und bissig wie kaum ein zweiter, schillernd vieldeutig und grandios geschrieben. Basierend auf Alexander Nitzbergs Übersetzung konzentriert Autor und Regisseur Clemens Mädge Bulgakows Originaltext auf drei Spieler und verleiht dieser Groteske einen neuen Anstrich, der zeigt, wie leicht der umstürzende Geist in den Untiefen der Bürokratie versickern kann.
Vater Löwenhaupt hat es nicht leicht. Der Kammersänger des städtischen Theaters will neben seinen Proben und dem Einsatz als Theater-Weihnachtsmann seiner Familie eine prächtige Bio-Gans zum Festtag servieren. Damit sie frisch und glücklich bleibt, soll sie ihre letzten Tage mit der Familie im Haus verbringen. Doch es kommt, wie es kommen muss: Seine Kinder gewinnen das Schnattertier sofort lieb und die älteste Tochter Elli ist als Veganerin sowieso strikt gegen einen Festtagsbraten. Nebenbei verpasst Löwenhaupt zuverlässig seine Weihnachtsmannpflichten und von den Proben wird er ausgeladen. Bei so viel Gegenwind, soll doch wenigstens sein Plan mit der Gans aufgehen. Doch ist ein saftiger Braten wirklich mehr wert als die Freude seiner Kinder? Intendant und Autor Manuel Schöbel hat Friedrich Wolfs berühmter Weihnachtsgeschichte einen frischen Anstrich verpasst und mit viel Humor und Musiktexten eine kurzweilige und moderne Bühnenfassung für junges Publikum ab 6 Jahren verfasst.
Ein Schiffsunglück trennt die Zwillinge Viola und Sebastian voneinander. An Land gerettet, beschließt Viola, als Knabe verkleidet und unter dem Namen Cesario in die Dienste des Herzogs Orsino zu treten. Dieser quält sich seit geraumer Zeit in der unerwiderten Liebe zur Gräfin Olivia. Der vermeintliche Cesario gewinnt schnell Orsinos Vertrauen und – unbeabsichtigt – Olivias Herz, während er selbst eher Gefallen am Herzog gefunden hat. Ebenfalls Interesse an Olivia hat Haushofmeister Malvolio, der die neuen Entwicklungen neidisch beobachtet – und dabei zum dankbaren Opfer eines Streichs wird. Die Verwirrung scheint komplett, als Sebastian, der ebenfalls gerettet wurde, in die Stadt kommt und prompt für Cesario gehalten wird und sich mit dessen Neidern erst einmal (handgreiflich) auseinandersetzen muss. Dann trifft er auf Olivia, die den vermeintlichen Cesario zur schnellen Heirat nötigt – eine Verbindung, von der Cesario selbst natürlich nichts weiß und die Ehe leugnet. Erst als die Geschwister sich gegenüberstehen, löst sich das Verwirrspiel auf.
Catharina Margaretha Linck oder Anastasius Lagrantinus Rosenstengel, wie sie sich selber nannte, war eine Frau, die als Mann verkleidet lebte, Berufe ausübte und eine bescheidene Karriere in der Armee machte. Sie war verheiratet mit einer Frau, und wurde wegen Unzucht mit einer Frau 1721 hingerichtet. Basierend auf dem Buch von Angelika Steidele „In Männerkleidern“ schrieb Marcus Everding dieses Theaterstück für das Nordharzer Städtebundtheater. Ein Stück über eine Frau, die frei und selbstbestimmt leben wollte, und dafür ihre Identität als Frau aufgeben und zum Mann werden musste.
David hat seit seiner Geburt mehrere schwere Behinderungen und ist auf ständige Betreuung angewiesen. Davids Pfleger Olli sagt: Anderswo ist es schlimmer. Regina sagt: David braucht eine gewohnte Umgebung, und er braucht mich, seine Mutter; wie soll er ohne mich leben. Als Reginas Lebensgefährte Michael ein Jobangebot in Peru erhält, weiß Regina nicht, wie sie damit umgehen soll. Die Freundinnen sagen: Regina denk doch auch mal an dich. Und: Bald Peru, wie verrückt. Und Regina findet kaum mehr die Kraft, die Kühlschranktür zu öffnen. Matthias van den Höfels Verse sollen nicht groß sein, sagt er. Oft wie nebenbei gesprochen. Sowie das Thema Liebe Fürsorge und häusliche Pflege und die unsichtbare und unbezahlte Carearbeit von Frauen unserer Gesellschaft oft unbemerkt bleiben. DRINNEN ist spannungsgeladen bis zum Schluss, doch van den Höfel operiert sehr geschickt mit dem Unterlaufen von Dramatischen Höhepunkten – er deckelt sie und bringt so in der Form zum Ausdruck, was die Figuren charakterisiert: das Deckeln und Unterdrücken von Emotionen.