»Alle wirken innerlich blitzblank, nur in unserem Inneren sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa«, denkt sich Kioskbesitzer Armin, als er vergeblich versucht, erfolgreich zu meditieren. Und auch im Inneren der anderen Figuren dieser literarischen Kolumnen herrscht Unordnung: Frau Wiese kann nicht mehr schlafen, Herr Pohl ist nachhaltig verzagt, Lisa hat ihren ersten Liebeskummer, Vadims Hände zittern, Frau Schwerter muss ganz dringend entspannen, ein trauriger Patient hat seine Herde verloren, und Psychoanalytiker Ulrich legt sich mit der Vergänglichkeit an. Kummer aller Art plagt die Menschen, die sich, mal besser, mal schlechter, durch den Alltag manövrieren. Aber der Kummer vereint sie auch, etwa, wenn auf Spaziergängen Probleme zwar nicht gelöst werden, aber zumindest mal an die Luft und ans Licht kommen. Klug, humorvoll und mit großem Sinn für Feinheiten und Absurditäten porträtiert Mariana Leky Lebenslagen von Menschen, denen es nicht an Zutraulichkeit mangelt, wohl aber am Mut zur Erkenntnis, dass man dem Leben nicht dauerhaft ausweichen kann. Der Roman ist bei Dumont erschienen und kann als Vorlage für eine eigene Bühnenfassung verwendet werden.
Die Geschichte des Seefahrers Edmond Dantès, der später als Graf von Monte Christo Rache für das erlittene Unrecht fordert, fasziniert seit der Erstveröffentlichung in den 1840er Jahren. Man klagt den jungen Mann des Hochverrats an und verurteilt ihn zu lebenslanger Haft im Inselgefängnis von Château d’If. Doch das Schicksal gibt ihm eine zweite Chance. Nach vierzehnjähriger Gefangenschaft, die er nur dank seines italienischen Mithäftlings, des gelehrten Abbé Faria, überlebt hat, gelingt Dantès die Flucht. Vor seinem Tod macht der Abbé Edmond zum alleinigen Erben seines Familienschatzes, der auf der Insel Monte Christo vergraben liegen soll. Dantès findet den Schatz und kehrt mit neuer Identität, als der reiche Graf von Monte Christo, nach Frankreich zurück. Sein in vierzehn Jahren nie erloschener Schwur, Rache zu nehmen an den Menschen, die seine Jugend und sein Glück zerstört haben, wird nun zum Leitmotiv seines Handelns ...
Deutschland, 1957. Zwölf Jahre nach Kriegsende würde die Bundesrepublik ihre Geschichte am liebsten ruhen lassen – ungeachtet dessen, dass die Verbrecher des NS-Regimes teils auf ihren alten Positionen sitzen, teils unbehelligt in anderen Teilen der Welt leben. Damit will sich Fritz Bauer, der Generalstaatsanwalt von Hessen, nicht abfinden und kämpft unermüdlich für Gerechtigkeit. Die Widerstände sind groß – gegen die Sache, aber auch gegen Bauer selbst, der homosexuell und jüdischer Abstammung ist. Dann erhält Bauer den entscheidenden Hinweis auf den Aufenthalt des ehemaligen SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann. Wie die Geschichte enden wird, wissen wir aus den Büchern: Bauer wird für die Entführung Eichmanns durch den israelischen Geheimdienst und später gegen alle Widerstände auch maßgeblich für die Auschwitz-Prozesse verantwortlich sein. Einen kleinen Ausschnitt dieser Geschichte erzählt der 2015 erschienene Spielfilm DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER von Lars Kraume, der nun von Jenke Nordalm und Tim Kahn für die Bühne adaptiert wurde.
München, 1929: Die Wirtschaftskrise macht sich im Alltag bemerkbar, radikale rechte wie linke Ideologien breiten sich aus. Dazwischen orientierungslose Menschen wie Alfons Kobler, Anna Pollinger und Josef Reithofer. Kobler ist ein unseriöser Autohändler, der nach einem betrügerischen Geschäft sein Geld in eine Reise nach Barcelona investiert, um sich dort eine reiche Frau zu angeln; Pollinger, eine arbeitslose Näherin, die beschließt Geld für ihre Rendezvous zu nehmen und zuletzt Reithofer, der von Annas Nebenerwerb zunächst abgestoßen ist, ihr dann aber doch selbstlos zu einer Stelle als Schneiderin verhilft. Das immer wieder sehr aktuelle Panoptikum des Typs „Spießer“, das Ödön von Horváth in seinem Roman entwirft, hat der Regisseur Michael Stacheder klug für die Bühne arrangiert. Sieben Stimmen changieren fließend zwischen Erzählung und Figur. Horváths erster Roman unterhaltsam und kurzweilig für die Bühne bearbeitet.
Plötzlich sitzt da ein Kranich im Kindergarten. Krana ist auf dem Heimweg von Spanien in den Norden mal kurz abgebogen, um ein bisschen Zeit für sich zu haben. Immer nur hinter dem Schwarm herfliegen – das ist doch langweilig. Und nun erzählt sie den Kindern aufgeregt von ihren Erlebnissen auf der langen Reise. Doch das viele Fliegen und Erzählen macht auch hungrig. Gibt es im Kindergarten etwas für Kraniche zu fressen, oder muss Krana früher oder später doch wieder zu ihrem Schwarm aufschließen? Dieser witzige Monolog bringt seinem jungen Publikum die Welt der Zugvögel näher, erzählt aber auch eine Menge über uns Menschen: Was heißt „ich“, was heißt „wir“? Wie wichtig ist Zusammenhalt?
Dr. Hermann „Flatter“ Flatinsky ist renommierter und leidenschaftlicher Eintagsfliegenforscher. Jeden Tag begleitet er seine Fliegen, unter genauer Beobachtung und mit viel Mitgefühl, von der Larve bis ins Grab. Inklusive kleiner Trauerfeier. Doch diese Routine wird gestört von Dr. Florina „Blub“ Blubetz, die akut kein eigenes Labor, dafür viel Medienrummel im Gepäck hat. Ihr Forschungsobjekt - der 200 Jahre alte Grönlandhai Hektor - ist eine Sensation. Die Arbeit der beiden könnte unterschiedlicher nicht sein: Er untersucht im stillen Kämmerchen die fleischgewordene Kurzlebigkeit, sie forscht medienwirksam über eine der ältesten Tierarten auf unserem Planeten. Bis Hektor plötzlich abtaucht und nicht mehr auffindbar ist. Was soll Blub nun machen? Kein Hai, kein Labor, keine Fernsehauftritte. Aber wo nichts ist, bleibt in der Wissenschaft nur die Neugier. Und so helfen sich Blub und Flatter gegenseitig aus ihren Miseren und gewinnen ganz neue Perspektiven auf die Arbeit des jeweils anderen. Die junge Autorin Caroline Docar schreibt in ihrem ersten Stück über Forschung, Freundschaft und den Umgang mit Medienrummel, das verspielt zum Lernen und (Nach-) Forschen anregt.
Rosemarie und John haben sich vor Jahren getrennt und seitdem nicht mehr gesehen. Als die beiden zufällig beim Weihnachtseinkauf aufeinandertreffen, ist die Überraschung groß. Vor dreißig Jahren waren sie unsterblich ineinander verliebt. Schnell merken sie: Das Feuer von damals, es glüht noch immer. Aber wieder traut sich keiner von beiden, über seinen Schatten zu springen und sie gehen getrennte Wege. Am gleichen Tag steht ein junger Mann, Erling, vor Rosmaries Haustür und behauptet ihr Sohn zu sein. Rosemarie, die nie ein Kind hatte und seit Jahren allein lebt, will ihn abwimmeln. Doch Erling weiß alles über sie und John. Danach erscheint John, der wissen will, warum sie ihm nie vom gemeinsamen Sohn erzählt hat. Ein Weihnachtswunder? Oder drehen alle an den Festtagen durch … Rosmarie und John beginnen Pläne zu schmieden. Kann ihr Leben neu beginnen? Ein Stück über ungelebte Träume und unerwartete Wunder, über Lebenslügen und verpasste Chancen. Mit Witz und Ironie wird die Kraft der Liebe ins Zentrum gerückt. Ein charmantes und nachdenkliches Weihnachtsstück für Erwachsene.
Johanna folgt der Wochenendeinladung ihrer verwitweten Mutter Henriette. Als Henriette ihr stolz ihren neuen, 25 Jahre jüngeren Freund vorstellt, fühlt sich Johanna von ihrer Mutter überrumpelt. Mit dieser Neuigkeit hat sie nicht gerechnet. Henriette ist demonstrativ glücklich mit Philipp, Johanna bleibt misstrauisch. Sie sieht in Philipp nicht den neuen sympathischen Freund ihrer Mutter, sondern vielmehr einen Heiratsschwindler. Philipp versucht, die Wogen zwischen Mutter und Tochter zu glätten. Doch das Zusammentreffen der drei gestaltet sich zunehmend turbulent. Marcus Grube hat das Drehbuch von Frédéric Hambalek in ein lustvoll unterhaltsames Kammerspiel übertragen. Humorvolles und tiefgründiges Theater, als Spaß für Spielende auf und Zuschauende vor der Bühne.
Das Märchen vom Rotkäppchen ist hinlänglich bekannt. Und dennoch lassen sich diesem Stoff immer wieder neue Aspekte abgewinnen. Zumal, wenn Rotkäppchen nicht nur Hilfe durch den Jäger zu Teil wird, sondern vor allem durch die Tiere und Bäume des Waldes, die auf sie achtgeben. Da ist der ängstliche, aber pfeilschnelle Hase, der stachelig-runde Igelmann und das fürsorgliche Eichhörnchen. Doch auch der böse Wolf lauert auf dem Weg und bringt sie geschickt von diesem ab, um sich selbst zur Großmutter aufzumachen. Doch mithilfe des tierischen Trios nimmt alles noch ein gutes Ende. Manuel Schöbel ist mit seiner Fassung dieses Klassikers ein echtes Umweltmärchen gelungen mit liebenswerten Figuren, Witz und viel Musik.
Geregelt und geordnet ist der Arbeitsalltag in der DDR. Eine Brigadefeier kann diese Ordnung schon einmal durcheinanderwirbeln. Ja, es entsteht mitunter ein explosives Gemisch, wenn lang unterdrückte Konflikte oder verborgene Lieb- und Leidenschaften plötzlich von einem gefährlichen Mix aus Alkohol und guter Musik ans Licht gebracht werden. So nimmt der Abend seinen überraschenden Lauf. Es wird beobachtet und am Fenster gestanden. Da hat jemand den Farbfilm vergessen oder erinnert sich an die Zeit, als er wie ein Vogel war. Da singen sie alle laut und voller Gefühl ihre Lieblingslieder mit, bevor sie sich wohin auch immer auf den Weg machen.