Antoniusfeuer

Von Anne Jelena Schulte

2 D
2 H

Das Stück geht zurück auf einen authentischen Fall, das Schicksal des Joachim Schwahr, geboren 1922, 1949 wegen (konstruierten) Spionagevorwürfen vom russischen Militärtribunal zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. Er verbrachte 8 Jahre in den Gefängnissen Bautzen und Torgau, wo er Schikane, Erpressung, Hunger und Kälte ertragen musste. Ständig hatte er Angst, Freunde und Familie zu verraten. Er erkrankte an Tuberkulose und entwickelte vorübergehend Wahnvorstellungen.
Nach seiner Entlassung flüchtet er nach West-Berlin. Er versucht sich ein neues Leben aufzubauen. Seine Kräfte sind durch die traumatische Gefangenschaft sehr gegrenzt und er bricht wieder zusammen. So beantragt er in Bezugnahme auf das Gesetz für ehemalige politische Gefangene der DDR eine finanzielle Beihilfe. Er gerät in die Mühlen der Bürokratie und führt einen nervenaufreibenden Prozess gegen das Versorgungsamt. Als der Arzt und Psychologe ihm jede Haftentschädigung abspricht, reift bei Joachim Schwahr der Gedanke an Rache. Da er davon überzeugt ist, dass er während der Haft mit chemischen Substanzen und psychotherapeutischen Methoden manipuliert wurde, beschließt er nun ebendiese Methoden auf den Arzt und alle anderen, die ihn enttäuschten, anzuwenden. Er macht seinen Plan wahr und vergiftet einige Menschen mit Mutterkorn. Machte man früher Hexen für ein nicht konformes, ketzerisches Leben verantwortlich ("Antoniusfeuer"), so ist es nun Joachim Schwahr, der auf den Scheiterhaufen der Bürokratie gestellt wird: Er stirbt den Märtyrertod.

Anne Jelena Schulte geht es vor allem die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung für den einzelnen, die Frage, wie viel Fürsorge vom Staat erwartet werden darf, die Frage der Selbstverantwortung und das Scheitern sowohl am kommunistischen als auch am kapitalistischen System.


Anne Jelena Schulte,
1976 in Berlin-Schöneberg geboren. Nach dem Abitur Studium an der UdK Berlin in "Szenisches Schreiben", gleichzeitig Mitarbeit an verschiedenen Theaterproduktionen in Berlin und ein Praktikum in der Hörspielabteilung des SFB. Abschluss an der UdK im Juli 2000. Danach ein Autorenstipendium am Staatsschauspiel Dresden und Einladungen mit KAMA KOMA zu den Werkstatttagen am Schauspielhaus Hamburg (2001) und am Autorenwochenende an den Münchner Kammerspielen (2003).
Sie lebt mit Mann und ihren Kindern in Berlin.
Weitere Stücke: Kama Koma (2001), in Planung: Fiedas Fest (Monolog)