Die inhaltlich verbundene Tetralogie, deren erstes, allein erhaltenes Stück die „Schutzflehenden“ waren, umfasste außerdem die Tragödien „Die Ägypter“ und „Die Danaiden“ sowie das Satyrspiel „Amymone“. Nach neueren Forschungen hat die Aufführung wahrscheinlich im Jahre 463 v. u. Z. stattgefunden. In dem uns vorliegenden Stück treffen die Danaostöchter, die der Ehe mit den ihnen verhassten Vettern, den Söhnen des Aigyptos, durch Flucht zu entrinnen suchen, unter der Führung ihres Vaters in Argos ein; ihr Flehen wird erhört von dem König des Landes und seinem Volk, die sie gegen ihre Verfolger zunächst erfolgreich in Schutz nehmen.
Für die inhaltliche Entwicklung des Tragischen bedeuten die „Schutzflehenden“ einen gewichtigen Schritt. Zum ersten Male wird hier das Aufeinanderprallen widerstreitender Pflichten, das Ringen um eine Entscheidung dargestellt, die, gleich, wie sie gefällt wird, schwerste Gefahren in sich birgt. Der König von Argos sieht sich, weist er die Schutzflehenden ab, dem berechtigten Zorn des Zeus ausgesetzt; nimmt er die Mädchen auf, muss er mit einem Krieg gegen die Ägypter rechnen. Lange dauert das Ringen um den Entschluss; obwohl den Mädchen der Nachweis ihrer Abstammung von Io ein durch Blutsverwandtschaft bedingtes Vorrecht auf Unterstützung sichert, scheut der seiner Verantwortung bewusste Herrscher davor zurück, das Blut seines Volkes aufs Spiel zu setzen. Den leidenschaftlichen, unter verschiedenen Gesichtspunkten vorgebrachten Bitten der Bedrängten stellt er stets neue Bedenken entgegen, bis schließlich die Drohung der Verfolgten den Ausschlag gibt, sich an den Altären der Stadtgötter, an die sie sich geflüchtet haben, das Leben zu nehmen. Der König entschließt sich, der dem Zeus geschuldeten Erfurcht den Vorrang vor den staatsmännischen Nützlichkeitserwägungen zu geben, will aber noch die Volksversammlung zur endgültigen Entscheidung einberufen. Der Dichter stellt auf diese Weise den König nicht als unumschränkten Alleinherrscher, sondern als Vertrauensmann des Volkes dar, der die Beantwortung der wichtigsten politischen Fragen der Gemeinschaft der Bürger anheim stellt. Damit überantwortet Aischylos die Lösung der vorliegenden, in der Tragödie erstmals zu verzeichnenden Konfliktsituation dem Volke als der maßgebenden Kraft und bekennt sich vor seinem Publikum zur attischen Demokratie.
Zusammenfassend wird man, bei allen Rätseln, die das Werk uns aufgibt, sagen dürfen, dass Aischylos im Gewande des Danaiden-Mythos ein bedeutungsvolles Problem seiner Zeit humanistisch gestaltet hat. Mag es uns angesichts der Überlieferung auch nicht vergönnt sein, den Schwerpunkt des vom Dichter Gestalteten zweifelsfrei zu erkennen, so bleibt doch ein Hauptverdienst fassbar: Der Dichter hat das Problem des Verhältnisses der Geschlechter angepackt und einer Lösung zugeführt, die nicht einer abstrakten allgemeinen Moral verhaftet bleibt, sondern diese Moral in ihrer ursächlichen Verknüpfung mit den sozialen Bedingungen sieht. Die spannungsgeladene Handlung, der Konflikt des Königs von Argos, die Not der Mädchen und ihr Ringen um Behauptung eines elementaren Rechtes, die lebensvollen Massenszenen mit ihrem farbenreichen Kontrast zwischen Afrikanern und Hellenen legen, als Ausdruck eines wichtigen gesellschaftlichen Anliegens, Zeugnis von der Kunst ihres Schöpfers ab.