Phokiphon

(Fokifon)

Von Sergej Neldichen

Übersetzt von Alexander Nitzberg

4 D
11 H
Originalsprache: Russisch

Als der Fremde Abe aus Cede in der Stadt auftaucht, sucht er nur eines: die Wahrheit von der Falschheit zu unterscheiden – und vertraut sich blind der Objektivität einer Fotokamera an. Wahrheit sei die Fotografie eines Ereignisses, glaubt er. Doch schon bald muss er realisieren, dass in einer Gesellschaftsordnung, in der jeder jeden beschattet, Wahrheit und Falschheit nur schillernde, ja dubiose Begriffe sind. Am Ende steht die Erfindung des Phokiphons – eines gigantischen Apparats, der die Totalüberwachung ermöglicht. Seine Strahlen durchleuchten die Hausfassaden und heben auch noch den letzten Rest des menschlichen Privatlebens auf. Im Schlussakt werden einzelne intime Szenen aus dem gesamten Stück in einem nicht enden wollenden Reigen auf die Leinwand projiziert. Skurrile Gestalten, Aroma-Schnüffler, Gammelfleisch-Verkäufer und Sexbesessene sind hier die Handlungsträger.

„Apostel der Dummheit“, „der russische Walt Whitman“ – der Dichter Sergej Neldichen (1891–1942) ist ein spektakulärer Sonderling der russischen Moderne, der mit Fug und Recht als heimlicher Wegbereiter der Gruppe OBERIU (Daniil Charms, Alexander Wwedenski) bezeichnet werden darf. Entwaffnende Direktheit und erotische Verspieltheit kennzeichnen die vollkommen eigenständige literarische Richtung seiner Werke. In den 1930er-Jahren mit einem Schreibverbot belegt und schließlich im Gulag umgekommen, führte Neldichen ein legendenhaftes Schattendasein, bis sein Gesamtwerk in diesem Jahr vom Moskauer Lyriker Maxim Amelin wiederentdeckt und publiziert wurde.