Mit großen Erfolg wurde diesen Herbst der englische Klassiker „Ein Inspektor kommt“ („An Inspector calls“) von J. B. Priestley in der Neuübersetzung von Michael Raab am 20. Oktober sowohl im Frankfurter Fritz Rémond Theater als auch am 28. Oktober im Kistl in St. Leonhard bei Graz aufgeführt. Das sozialkritische Drama begeistert dank seines zeitlosen Themas und dem zum Nachdenken anregenden Ende auch nach über 70 Jahren seit der Uraufführung in Moskau heute noch.
Brumley, England, 1912, kurz vor dem Kentern der Titanic und dem ersten Weltkrieg: Mitten in die heile Welt der reichen und selbstzufriedenen Industriellenfamilie Birling platzt der mysteriöse Inspektor Goole mit einem unangenehmen Fall. Er untersucht den Suizid einer jungen Frau, Eva Smith. Die Verlobungsfeier von Sheila Birling und Gerald, dem Sohn des konkurrierenden lokalen Industriellen, die in vollem Gange war, wird dadurch empfindlich gestört. Obwohl alle behaupten, nie von der Toten gehört zu haben, fördert der unwirsche Inspektor nach und nach unangenehme Tatsachen über jedes Familienmitglied zu Tage, die zur Verkettung der unglücklichen Umstände geführt haben, die das Mädchen letztendlich in den Selbstmord trieben. Michael Raabs Übersetzung wurde vom Frankfurter Regisseur Thomas Weber-Schallauer spannend und beklemmend inszeniert. Das Bühnenbild im Fritz Rémond Theater, bestehend aus auseinanderklaffenden Wänden, spiegelte den Kern des Stücks gekonnt wieder: Immer tiefer werden die Risse in der Fassade, bis die Oberfläche gänzlich auseinander zu bröckeln beginnt. Auch in Graz setzte man auf historische Kostüme und Atmosphäre. Der Beifall der Zuschauer bestätigte auch der kleineren Bühnen, dass EIN INSPEKTOR KOMMT mit seiner sozialen Verantwortung und verdrängten Moral heute wie zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts nichts von seiner Aktualität und Beunruhigung eingebüßt hat - und sowohl für große als auch kleine Häuser geeignet ist.