Der Intendant des Hessischen Landestheaters Marburg, Matthias Faltz, und der Dramaturg Alexander Leiffheidt haben die kleistsche Novelle über Gerechtigkeit, Unrechtsempfinden und den unumstößlichen Willen des Individuums neu für die Bühne bearbeitet und sind dem Grundgedanken des umfassenden Werks dabei treu geblieben.
"Ein Mensch, getrieben vom Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, hat ab einem bestimmten Punkt [...] nichts mehr zu verlieren und wird sowohl unbeherrschbar als auch unberechenbar. Wenn Kohlhaas nicht mehr auf die Justiz hofft, sondern nur noch seinem Verlangen nach Gerechtigkeit folgt, tritt er aus dem System und hat dennoch unsere Sympathie.
[...] Nichts ist sicher, die Welt ist und bleibt zerbrechlich. Der Blickwinkel der handelnden/erzählenden Personen (Kohlhaas/Kurfürst) entscheidet über den Fortgang der Geschichte und zwischen Krieg und Frieden, Leben und Tod.
Die Erfahrung von Kontingenz und der Verlust verbriefter Identität sind weder im gesellschaftspolitischen noch im künstlerischen Diskurs etwas Neues; man könnte nahezu jeden beliebigen Text seit der Literatur des Spätbarock daraufhin lesen. Wesentlich erscheint uns etwas Anderes, nämlich das von Kohlhaas unter Aufbietung aller Kräfte vollbrachte Aushalten dieser Erfahrung – das Verharren im Auge der Aporien. Dass das Unentscheidbare keine vorübergehende Störung ist, sondern ein Dauerzustand – dass Handeln trotzdem notwendig, ja unabdingbar ist.
Es geht also darum, den Zuschauer an keiner Stelle aus der Widersprüchlichkeit der Handlung zu entlassen. Der Zuschauer muss entscheiden wollen (und um dies zu erreichen, muss er aufgerufen sein, Partei zu nehmen) und nicht können, oder nur unter Aufgabe des eigenen Anspruchs der Objektivität."
(Matthias Faltz und Alexander Leiffheidt zu ihrer Neubearbeitung)